Kultfigur dank Selbstporträts

Frida Kahlos Bilder sind in Berlin so umfangreich wie noch nie in Deutschland ausgestellt


"Kahlo besitzt eine Fangemeinde, die mit der von Popstars zu vergleichen ist. Verehrt von einem Millionenpublikum, genießt sie heute den Status einer Kultfigur." Mit diesen treffenden Worten beschreibt Ingrid Brugger im Katalog zur großartigen Schau, die Frida Kahlo (1907-1954) im Berliner Martin-Gropius-Bau gewidmet ist, die außergewöhnliche Stellung der bedeutendsten Malerin Mexikos.


Ihre bislang größte Ausstellung in Deutschland umfasst 150 Gemälde und Zeichnungen. Unter ihnen befinden sich zahlreiche Werke aus der Jacques and Natasha Gelman Collection of 20th Century Mexican Art, die wegen juristischer Auseinandersetzungen seit vielen Jahren nicht öffentlich gezeigt werden konnten. Auch die große Fotoauswahl, mit der die Ausstellung beginnt, ist eine Sensation. Die Präsentation der Bilder von Frida Kahlo, ihrer Familie, Freunde und Bekannten wurde möglich durch die erst 2004 erfolgte Öffnung des von ihrem Ehemann, dem berühmten Maler Diego Rivera, angelegten Archivs. Es war eingeschlossen im Bade- und Ankleidezimmer von Frida Kahlos Wohnsitz: dem Blauen Haus in Mexiko-Stadt.


Frida Kahlos Kunst und Popularität sind eng verbunden mit ihrem tragischen Leben, das sie mit vorbildlicher Tapferkeit meisterte. Die Tochter eines eingewanderten deutschen Fotografen und einer Mestizin wurde mit einem Wirbelsäulenschaden geboren und war 1925 Opfer eines schweren Busunglücks. Mauricio Ortiz berichtet im Band "Frida Kahlo - Ihre Photographien": "Verkehrsunfall mit achtzehn Jahren, eine Eisenstange durchdrang ihre Bauchhöhle sowie mehrfache Brüche an Ellbogen, Wirbelsäule, Becken, rechtem Fuß und Bein; drei Fehlgeburten (eine spontan, zwei Abtreibungen); Alkoholismus, Tabaksucht, Magersucht und Tod mit 47 Jahren (1954) unter Verdacht des Selbstmords." Bis dahin ließ sie 32 Operationen über sich ergehen und litt obendrein unter einem unglücklichen Eheleben, das Diego Rivera und auch sie selbst mit zahlreichen Seitensprüngen belasteten.


Die Retrospektive ist in thematische Abteilungen gegliedert. Unter der Überschrift "Wunschbilder" firmiert erstaunlicherweise das Gemälde "Nur ein paar kleine Stiche" (1935). Auf dem Bett liegt eine blutüberströmte nackte Frau, erstochen von dem neben ihr stehenden Mann. Helga Prignitz-Poda, die Kuratorin der Schau, deutet das Bildpersonal als Frida und Diego. In der Abteilung "Himmlische und irdische Liebesgeschichten" begegnen wir dem Paar unter positiven Vorzeichen wieder. Besonders eindrucksvoll im Gemälde "Die Liebesumarmung des Universums, die Erde (Mexiko), ich, Diego und Herr Xólotl" (1949). Das Bild malt wie kein zweites Frida Kahlos wundersame Weltsicht aus. Im Zentrum sitzt sie selbst im langen roten Kleid, den zum Riesenbaby gewordenen nackten Diego Rivera in den Armen. Das Paar wiederum sitzt im Schoß von Mutter Erde, die wie eine antike mexikanische Skulptur aussieht. Die allumfassende Umarmung schließlich ist die Aufgabe des Universums, halb Nacht mit Vollmond, halb Tag mit Sonne. Herr Xólotl ist der Lieblingshund der Künstlerin. Er macht auf dem dunklen Arm des Universums friedlich ein Nickerchen.


In der Sektion "Krankheit" fällt sofort ein mitten im Raum präsentiertes Gipskorsett auf. Es wurde von Frida Kahlo bemalt, während sie es bei einem Krankenhausaufenthalt trug. Aufgeboten ist auch eine der größten Ikonen der Frida-Verehrung: das Gemälde "Die zerbrochene Säule" (1944). Die Künstlerin zeigt sich als einsame Dreiviertelfigur in öder Landschaft. Ein an Christus am Kreuz gemahnendes Lendentuch umflattert ihren Unterleib. Ihr entblößter Oberkörper wird von weißen Gurten zusammengehalten. Er ist in der Mitte senkrecht aufgerissen. Sichtbar wird anstelle des Rückgrats eine antike, mehrfach gebrochene Säule. In Körper und Gesicht sind Nägel eingeschlagen - als wohnten wir dem Martyrium einer Heiligen bei. Sie weint, aber hält sich trotz aller Widrigkeiten aufrecht.


Den Mittelpunkt der Inszenierung aber bildet die lange Galerie der majestätischen Selbstporträts, mit denen die Künstlerin unser Vorstellungsbild von ihr geprägt hat. Markante Erkennungszeichen sind die breiten, über der Nase zusammengewachsenen schwarzen Augenbrauen und der Flaum ihres Damenbartes. Wie sie da so nebeneinander hängen, wird einem die erstaunliche Gleichförmigkeit der Selbstdarstellungen bewusst. Formelhaft sieht uns Frida Kahlo auf diesen Brustbildnissen gleichmütig an, während sie ihr ausdrucksloses Gesicht leicht zur linken Schulter gewendet hat. Für Abwechslung sorgt die Garnierung. Mal ist sie in ein Kleid aus Blättern gehüllt, dann wieder trägt sie eine Landestracht mit einer das Gesicht vollständig umschließenden blütenartigen Spitzenhaube und weist über den Augenbrauen anstelle des Auges der Weisheit die Porträtdarstellung Diego Riveras auf.


Umso mehr sticht die einzige Darstellung hervor, in der sie uns ihr Gesicht frontal zugewendet hat. In diesem "Selbstbildnis mit Dornenhalsband" (1940) zeigt sich Frida Kahlo vor einem Schutzwall aus Riesenblättern. Weitere Rückendeckung geben eine schwarze Katze, die uns argwöhnisch belauert, und ein Äffchen, das an ihrem Dornenhalsband herumnestelt. Dem dient ein toter Kolibri als Anhänger. Laut Interpretation der Kuratorin Prignitz-Poda soll er Frida Kahlo gegen die Tollheiten der Liebe schützen.


Bis 9.8.2010 im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, Berlin. Täglich 10-20 Uhr. Informationen: Tel.: 030-254860, Internet: www.gropiusbau.de. Der Katalog aus dem Prestel Verlag kostet 25 Euro, der im Schirmer/Mosel Verlag erschienene Band "Frida Kahlo - Ihre Photographien" kostet 39,80 Euro


Text: Veit-Mario Thiede, Goethestraße 100, 34119 Kassel, Tel: 0171-3860734, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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